07. Oktober 2023
299. Begegnung
Gerhard Richter(*1932)
Betty (Edition 75)
1991 | 97,1 x 66,2 cm | Offsetdruck, auf Kunststoffplatte aufgezogen, gerahmt und verglast | Leihgabe aus Privatbesitz |
Gerhard Richter hat bis 2017 mehr als 4.000 Werke geschaffen. Der Großteil davon ist abstrakt. Doch immer wieder malt der 1932 in Dresden geborene Künstler gegenständliche Motive, realisiert sie nach Bildern aus Magazinen oder eigenen Fotografien. So auch das Porträt seiner Tochter Betty. Es entstand 1988, zeitgleich mit dem sogenannten RAF-Zyklus. Als Referenz diente ihm ein Foto, dass er Jahre zuvor in seinem Atelier aufgenommen hatte. Der Zauber dieses Bildes resultiert aus der altmeisterlichen malerischen Umsetzung, dem Kontrast des monochromen Hintergrunds zum weiß-rot leuchtenden Blumenmuster des Bademantels der Tochter sowie aus der schlichten Komposition, in der das Mädchen nicht nach vorn blickt, sondern zurück in das diffuse Grau des Hintergrunds. Und dennoch scheint es, als könne sich die Protagonistin jeden Moment umdrehen. In diesem fast filmischen Spannungsmoment liegt die Faszination des Bildes. Das Anwesende ist zugleich abwesend und hinterlässt die Betrachtenden mit einer Ungewissheit. Unlängst gehört das Gemälde „Betty“ zu den am häufigsten reproduzierten Werken der Gegenwartskunst und gilt als „Mona Lisa des 20. Jahrhunderts“. Fest steht, dass kaum ein zweites Werk Gerhard Richters so in den Bann zieht, wie das Bildnis seiner Tochter Betty.
Kerstin Küster
