13. April 2019

282. Begegnung

Lyonel Feininger(1871–1956)

Nächtliche Straße (Beleuchtete Häuserzeile I)

1929 | 36 x 56,5 cm | Öl auf Leinwand | 1948 erworben aus der Kunsthandlung Hede Schönert, Dresden |

Musik | Klaviermusik der Moderne mit Studierenden der Klasse Prof. Arkadi Zenziper
Literatur | Prosa von Bertholt Brecht

Lyonel Feininger widmete sich, nach grotesken Figurenbildern, seit 1913 abstrakten Bildfindungen und Architekturkonstruktionen. 1919 wurde er an das neu gegründete „Staatliche Bauhaus in Weimar“ berufen. Die Maler des Bauhauses suchten – zwischen Metaphysik und Konstruktion, Romantik und Rationalität – nach konstruktiven Mitteln, um eine übergeordnete Harmonie der Welt zum Ausdruck zu bringen. Eine Bildlösung, die Ruhe und Endlosigkeit symbolisiert, ist die Betonung der Horizontale wie in dieser Straßenansicht von Feininger. Anlass für dieses Motiv bot ein Architekturerlebnis: Während seiner abendlichen Streifzüge mit der Kamera durch Dessau, wo Feininger seit 1926 arbeitete, wurde er auf die lang gestreckte, Häuserzeile aufmerksam. Die Sprache der Architektur dieser klar gegliederten Fassade musste sich dem Formwillen des Malers nicht unterwerfen – beide eint das Bestreben nach Formvereinfachung, nach geometrischen und funktionalen Grundsätzen. Mit feinen Farbabstufungen fügte Feininger allerdings zarte prismatische Brechungen ein in die dreiteilige Komposition aus der fahl spiegelnden Straße, der von innen warm leuchtenden Häuserzeile und dem nachtgrünen Himmel. Romantischer Lichtsymbolik verwandt ist der hoch aufstrahlende Lichtkegel oberhalb der Dachzeile rechts.

Birgit Dalbajewa