16. November 2024

305. Begegnung

Julie Wolfthorn (1864 – 1944)

Waldhexe

um 1899 | 42 × 33,5 cm | Öl auf Leinwand | Dauerleihgabe der Jack Daulton Collection im Klingersaal

Musik | Harfenmusik mit Studentinnen und Studenten der Hochschule für Musik
Literatur | Skizzen von Else Lasker-Schüler

Umgeben von dichtem Blatt- und Blütenwerk schaut ein junges weibliches Waldwesen aus dem kleinen Bild, einem fein komponierten Farbenklang aus Grün- und Blautönen. Im Frühjahr 1899 ist die verzaubernde Gestalt erstmals ans Licht der Öffentlichkeit getreten, auf der ersten Ausstellung der Berliner Secession, zu deren Gründungsmitgliedern die jüdische Malerin Julie Wolfthorn zählte. Drei Jahre später, auf der Großen Kunstausstellung Berlin 1902, provozierte das vermeintlich verwilderte nackte Mädchen mit seinem ungebändigten offenen Haar, verschmitzt lächelnden Gesicht und klaren, selbstbewussten Blick einen Kritiker zu vielsagenden Auslassungen über den „starken Kontrast zwischen männlicher und weiblicher Kunst. Miss Wolfthorne [sic!] ist es auf meisterhafte Weise gelungen, das Wesentliche der irritierenden Unruhe, die Elemente des Dämons in der modernen Frau, auf den Punkt zu bringen. [… Doch] besteht in diesem Werk irgendwie der Verdacht einer akrobatischen Tendenz, die für die Kunst einer Frau so oft fatal ist.“ Julie Wolfthorn, die sich um 1900 aktiv in der Frauenbewegung engagiert hatte, starb 80-jährig im Ghetto von Theresienstadt. Ihr Schaffen wurde erst in jüngster Zeit wiederentdeckt.

Andreas Dehmer