15. März 2025
307. Begegnung
Oskar Kokoschka(1886 – 1980)
Sommer I
1922 | 111 x 140 cm | Öl auf Leinwand | Leihgabe im Albertinum |
Kokoschkas Liegende gehört in die Reihe der großen Aktdarstellungen der abendländischen Kunst. Neue Erkenntnisse, wie er sich auf das Vorbild der Alten Meister bezog, machen deutlich, wie verbunden Kokoschka der Dresdner Gemäldegalerie war, als er 1916 bis 1923 in Dresden lehrte. Das expressiv bewegte Bild zitiert einen altmeisterlichen Farbklang aus Hautfarbe, Rot, Weiß und Grün, kann aber zudem auch als Antithese gelten zur vollendeten Harmonie der „Schlummernden Venus“ von Giorgione und Tizian. Kokoschka fasste seine „Göttin“ allerdings sehr eigen auf, sie entspricht keinen glatten Schönheitsvorstellungen und ist – ursprünglich als „Abisag“ betitelt – zugleich eine Allegorie auf Schutz und Wärme. „Du wirst um (der) Liebe willen in der Sonne liegen und reifen wie Korn und deine Seele wird so einfach duften für mich“, schrieb der Künstler an seine Freundin Anna Kallin und lieferte damit eine poetische Beschreibung des Gemäldes. Kokoschkas Briefe aus diesen Jahren sind durchzogen von seinem Wunsch nach Sonne und einer Flucht aus Dresden, das er als dunkel und bürgerlich eng empfand.
Birgit Dalbajewa
